„Mit offenen Augen durch die Welt“: Zeitzeugin und Holocaust-Überlebende Fr. Dr. Eva Umlauf beeindruckt Schüler:innen mit bewegendem Appell
Am Freitag hatte das GSO die besondere Ehre, die Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin Frau Dr. Eva Umlauf zu einem Vortrag auf der Theaterbühne zu begrüßen. Die 82-Jährige war anlässlich einer Abendveranstaltung im Kulturraum Synagoge in Lippstadt zu Gast. Dirk Raulf vom Kulturraum Synagoge Lippstadt e.V. ermöglichte es uns, dass Frau Umlauf auch das GSO besuchte und dort von ihren Erlebnissen, denen die Schüler: innen der 10. Klassen und der Q2 aufmerksam und interessiert folgten, berichtete.
Nachdem Herr Achaz von der Schulenburg unseren Ehrengast mit voller Hochachtung begrüßt hatte, eröffnete Kevin Messner mit ebenso großer Wertschätzung für die Überlebende die Veranstaltung und betonte, dass keine noch so sorgfältig geplante Anmoderation ihr auch nur im Ansatz gerecht werden könne. Ihr Geburtsjahr – 1942 – sei jedoch auch aussagekräftig genug. Mit diesen Worten übergab er das Wort an die Zeitzeugin, die zunächst von ihrem beruflichen Werdegang berichtete.
Eva Umlauf ist gelernte Kinderärztin und hat sich später in der psychotherapeutischen Medizin weiterqualifiziert. Vor acht Jahren veröffentlicht sie ihr Buch „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“, in welchem sie ihre persönliche Geschichte und die ihrer Familie festhält. Und damit leitet sie über zu den bewegenden Schilderungen aus ihrer Lebensgeschichte und einer kurzen Lesung aus ihrem Buch.
Sie wurde 1942 im Arbeitslager Nováky in der heutigen Slowakei geboren, einem Arbeitslager für slowakische Juden, das sich von Vernichtungslagern unterschied, da dort – wie sie selbst resümiert - das Aufziehen von Kindern möglich war. Dennoch lebten die Insassen in ständiger Angst: Jeder Zug, der am Bahnhof ankam, konnte ein Transport in ein Vernichtungslager sein – ein Schicksal, das auch ihre Familie schließlich traf.
Nach dem Scheitern des Nationalaufstandes 1944 sollte Eva – noch keine 2 Jahre alt – am 30. Oktober mit ihren Eltern nach Auschwitz deportiert werden. Jedoch kam der Zug mit drei Tagen Verspätung an, weil die Lokomotive defekt war. „Es klingt verrückt, aber das hat uns das Leben gerettet“, sagt sie mit ruhiger Stimme. Aufgrund der Zerstörung der Gaskammern in Auschwitz im Herbst 1944 entgingen sie und ihre Mutter der sofortigen Ermordung, ihren Vater hat sie beim Verlassen des Zuges jedoch das letzte Mal gesehen. Die Familie wurde getrennt. Während der Vater in das Männerlager kam, wurden Eva und ihre Mutter registriert und tätowiert, ein Moment, den ihre Mutter als „einen Stempel der Entmenschlichung“ beschrieb.
„Diese Nummer trage ich bewusst, auch wenn man Tätowierungen mittlerweile entfernen kann“, erklärt sie. „Sie ist ein Teil von mir, wie jede Falte, jede Narbe. Sie verbindet mich mit meiner Familie und ist ein Mahnmal, eine Totenehrung und eine Lebensbejahung zugleich.“ Ihre bewegenden Worte hinterließen einen bleibenden Eindruck bei den anwesenden Schülerinnen und Schülern, die von den Schilderungen der Überlebenden zum großen Teil sichtlich berührt waren und nachdenklich wurden.
Zum Ende der Lesung zeigte Frau Umlauf einen Ausschnitt aus einem Filmbeitrag, der den „March of the Living“ im Jahr 2023 zeigt, bei dem jährlich das Andenken an die Opfer der Shoah lebendig gehalten wird. Im Anschluss daran hatten die Schüler:innen die Gelegenheit, ihre Gedanken zu äußern und der Zeitzeugin Fragen zu stellen. Zum Abschluss der Fragerunde richtete Frau Umlauf den Appell an die Jugendlichen, „mit offenen Augen durch die Welt zu gehen“ in politisch und gesellschaftlich angespannten Zeiten mit zunehmender Orientierungslosigkeit und globalen Krisen. „Ich bin ein Beispiel dafür, was passiert, wenn eine Diktatur an die Macht kommt“, betonte sie eindringlich.