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25. Juni 2022

Last Christmas - Von wegen Fest der Liebe

Ein letztes Mal Weihnachten feiern. Was würden wir tun? Ein überzeichnetes und umso eindringlicheres Bild zeichnete der Literaturkurs des Gymnasiums Schloss Overhagen mit der Inszenierung „Last Christmas“, die am Donnerstag im Rahmen der „Schultheatertage“ auf der Studiobühne zu sehen war.

Von Marion Heier

Lippstadt – Vermutlich würde ein letztes Weihnachten bei vielen genauso ablaufen wie immer. Schnell noch Geschenke besorgen – hoffentlich die richtigen – , den Braten versauen, und – von wegen harmonisches Fest der Liebe – an der Familientafel miese Stimmung verbreiten. So sieht’s aus.

Geschrieben und inszeniert von Lehrer Hendrik Jahns, erweist sich „Last Christmas“ als ein komplexes Stück, das Satire und Drama zugleich ist. Weil vier Mitspieler krankheitsbedingt ausfallen, musste innerhalb eines Tages umbesetzt werden. Ein Mitschüler springt sogar spontan ein.

Das aber merkt man dem Team überhaupt nicht an. Ungewöhnlich ist das Setting am Donnerstag, einem Tag Ende Juni, der mit am längsten von Weihnachten entfernt liegt. Da wird das Publikum vom Gedichte zitierenden Engel begrüßt, der ständig „Frohe Weihnacht“ wünscht, von Weihnachtselfen, geschmückter Tanne und einer Weihnachtsbeschallung von „Last Christmas“ bis „Ave Maria“.

Klug gesetzt, bis ins Detail überlegt präsentieren sich die Figuren, allen voran die Mutter (Magali Becker), der Vater (Luca Niermann) sowie die Kinder (Merle Peuckert und Laura Wilberger). Sie werden in die groteske Situation hineinkatapultiert, in der in nur wenigen Stunden ein Komet die Erde treffen und jegliches Leben auslöschen wird.

Eine Stimme aus dem Off erinnert an die wenige noch verbleibende Zeit. Doch zur inneren Einkehr bringt es die Familie nicht. Neun Szenen geben das vor. Beim „Kaufhaus-Wahnsinn“ bietet die Angestellte, an der alle vorbeilaufen, robotermäßig Pralinen an, im „Duell um die Weihnachtsgans“ entwickelt sich ein handfester Streit, der dem unterschiedlichen Wunschdenken zum Fest der Feste geschuldet ist.

Hervorragend gelingt die szenische Aufarbeitung, zu der die wie mit einer Kamera aufgenommenen Standbilder gehören, die an die verbrannte Tanne oder den fast erstickten Opa erinnern. Dass die Teenager an Weihnachten lieber mit Freunden abhängen wollen als im öden Kreis der Familie, kommt sprachlich hervorragend rüber. Das ist Satire pur, da bricht zwischen Kochwein und Brathuhn schauspielerisches Talent hervor.

Der Komet saust zwar in diesem Jahr vorbei, doch wird beim Blick in die Zukunft Weihnachten wohl irgendwann vergessen sein. Doch wollen wir das? Es gibt wohl kaum eine andere Tradition, die uns immer wieder vor Augen führt, wie der fest verankerte moralisch-sentimentale Anspruch an ein Fest der Liebe gnadenlos an der Realität ersticken kann.

Den Schülern gelingt mit „Last Christmas“ ein aufrüttelnder, dringlicher Weckruf, in allem, was aus dem Ruder gelaufen ist, wieder den wahren Wert zu erkennen. „Wir sind wenige Menschen mit einer großen Wirkung“, steht im Programmflyer. Das war nicht übertrieben. Bravo für eine so tolle Leistung.

Quelle: DER PATRIOT vom 25.06.2022 - Seite 12

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